Basenfasten – warum eigentlich?
Ich halte mich für eine Person, die gut und gesund isst. Deutlich besser und gesünder als mein allgemeines Umfeld. Nun ja, „gesund“, was bedeutet das heutzutage, wo wir doch alle einer anderen Ernährungsform anhängen – um mit paleo, low-carb, clean eating und vegan nur mal die zu nennen, die in den letzten fünf Jahren die populärsten geworden sind?
Ich bin ein „Öko-Flexi“, esse nie bis selten Fleisch, häufig vegan, stehe auf Vollwertkost und vermeide Kuhmilch, mag mich von Joghurt und Quark aber nicht so recht trennen. Mein „Problem“ sind häufige Zwischenmahlzeiten: Hier ein Keks, dort ein Cappuccino, und eine kleine Käsestange wird schon nicht schaden. (In Stresssituationen vervielfacht sich die Menge manchmal um den Faktor X, pssst. Ein Langeweile-Futterer bin ich glücklicherweise nicht.) Meine Ärztin und Ökotrophologin hat mir jüngst in einem langen Termin erklärt, dass ich zwar kerngesund bin, aber durch meine vielen, süßen und ungesunden Snacks und zu viele Kohlenhydrate einen konstant hohen Blutzuckerspiegel habe. Wenn der Blutzuckerspiegel nie zur Ruhe kommt, wird der Fettabbau gehemmt und der Fettaufbau gefördert. Das alles handhabt übrigens das Hormon Insulin, von dem ich bisher immer nur im Zusammenhang mit Diabetes gehört hatte. Dass Insulin auch im Stoffwechsel von nicht-diabetischen Personen eine Hauptrolle spielt, war mir ehrlich gesagt nicht bewusst. Ich möchte mich an dieser Stelle gar nicht so sehr über meinen aktuellen Gesundheitszustand auslassen – ihr findet online eine Menge über den Zusammenhang von Blutzucker, Insulin, Fettabbau und Gewichtsreduzierung. Schaut euch bei Interesse z. B. mal dieses Video an, das fand ich ganz erhellend.
Nun, das Basenfasten hat sich mit dem erhellenden Termin bei der Ärztin überschnitten, aber beides passierte wohl zum rechten Zeitpunkt. Denn beim Basenfasten musste ich nicht nur auf Zucker, sondern auch auf meine geliebten Zwischenmahlzeiten verzichten. Insofern: Top Timing!
Basenfasten – was ist das?
Tja, auch das möchte ich nur verkürzt wiedergeben, ihr habt ja sicher noch etwas anderes vor heute.
Basenfasten ist der Verzicht auf säurebildende Speisen, stattdessen sollen nur basenbildende Lebensmittel verzehrt werden. Der moderne Mensch neigt dazu, primär Saures zu essen, was zu einer Übersäuerung des Körpers und damit zu Krankheiteten wie Rheuma, Neurodermitis, Müdigkeit, Osteoporose, sogar Krebs führen kann– so sagen die, die von der Existenz eines Säure-/Basenhaushalts im menschlichen Körper überzeugt sind. Vorweg möchte ich sagen, dass es aktuell keinen schulmedizinischen Beweis für einen „übersäuerten Körper“ gibt. Das Internet ist voll von Informationen, positiver Erfahrungsberichte und Anleitungen, wobei teilweise Uneinigkeit darüber besteht, was verzehrt werden darf und was nicht.
Basenfasten ist als kurzzeitiger Ernährungsstil angedacht, selbstverständlich braucht der Körper für ein gesundes Gleichgewicht auch Säuren. Gute Säuren. Das Verhältnis von 80 % – 20 % (basenbildend – säurebildend) wird als Ideal angestrebt. Ich habe eine Menge gelesen und dann eine Woche my way basengefastet.
Welche Lebensmittel sind basisch und damit zum Verzehr geeignet?
Gemüse, Obst, Mandeln, Walnüsse, Sonnenblumenkerne, getrocknete Früchte, Kartoffeln, Süßkartoffeln, hochwertige Öle, Pseudo-Getreide (Hirse, Amaranth, Quinoa), Oliven und Kräuter. Manche Quellen erlauben Sahne, Buttermilch und Kefir. Getrunken wird nur stilles Wasser und Kräutertee.
Welche Lebensmittel sind sauer und damit verboten?
Fleisch, Fisch, Käse, Tofu, Milchprodukte, Getreide, Pasta, Reis, Brot, Kaffee, Schwarztee, Grüner Tee.
Sehr vereinfachte Darstellung, but you get the idea. Ich hatte gar nicht so viel Respekt vor der Woche, esse ich doch so oder so schon sehr viel Gemüse und Obst. Aber dann wurde es doch eine ziemliche Herausforderung.
Tagebuch
Tag 1
Es ist ein Feiertag, was mich schon mal grundsätzlich motiviert. Zum Frühstück schnibbele ich mir einen Obstsalat zusammen: Apfel, Weintrauben, Datteln, Sonnenblumenkerne. Geschmacklich ist das in Ordnung, aber meine Zähne hassen Fruchtsäure leider sehr – und das merke ich auch direkt. Ich verfahre nach dem Prinzip „Augen zu und durch“ und trauere nebenbei um einen herrlichen Earl Grey mit Sojamilch, den ich nun trinken würde. Ein zäher Vormittag. Ich bin froh, dass ich um 12:30 Uhr endlich essen kann. Es gibt Endiviensalat mit Kartoffeln, Avocado und einem Dressing aus Leinöl und Zitrone. Sehr lecker! Doch auch der Nachmittag quält. Ich fühle mich noch kein bisschen basisch, eher sauer und schlecht gelaunt. Irgendwann esse ich eine trockene Kartoffel, die noch vom Mittag übrig ist – und fische vier Oliven aus einem Glas in der der Resteecke des Kühlschranks.
Abends eine meiner Lieblingseintöpfe: Wirsing, Karotten, Kartoffeln mit Kümmel. Habe das Gefühl, in den nächsten Tagen noch sehr viele Kartoffeln zu essen.
Mein Fazit nach dem ersten Tag: Das ist schwieriger als gedacht. Vor allem das Nicht-Zwischendurch und-Abends-vor-dem-Fernseher-essen fällt schwer. Ich liebe Printen.
Tag 2
Das Frühstück – ein geriebener Apfel, eine geraspelte Möhre, Rosinen, Kokosflocken – schmeckt gut, ist mir aber doch zu frisch und den Zähnen erneut zu sauer. So geht's nicht weiter, eine Alternative muss her. Aber zuerst: Arbeiten. Ich bin unkonzentriert, fahrig und schnell wieder hungrig. Routinearbeiten beginne ich ständig neu, weil unfokussiert bin. Anstrengend.
Erlösung winkt um 13 Uhr: Das Mittagessen, der gleiche Salat wie gestern, eine sichere Nummer. Glücklicherweise vergeht der Nachmittag schnell. Auf der Anrichte im Büro lachen mich Butterspekulatius an (oder aus?). Auch abends halte ich mich an den Eintopf von gestern. Ich will in dieser Woche nicht jeden Tag was Neues ausprobieren. Mir fällt eine halbe Dose Paprikagewürz in den Topf, aber ansonsten schmeckt es okay und ich bin einfach nur glücklich, dass das Bäuchlein voll wird. Ich liebe Kuchen.
Tag 3
Ich habe am Vortag Hirseflocken und Mandelmilch bei dm gekauft. Beides schmeckt für sich genommen eigentlich nicht (gar nicht) aber man kann daraus einen basischen Brei kochen, diesen mit Rosinen anreichern und schon hat man sowas wie einen Porridge, was mir (und meinen Zähnen) eindeutig besser bekommt als diese morgendliche Obstorgien.
Generell geht es mir etwas besser, der Brei hält lange satt, und der Kartoffelsalat mit Gurke, Tomate, Oliven und Avocado zum Lunch ebenfalls.
Abends dann die Enttäuschung: Zucchini mit roh-veganer Tomatensauce versalze ich irgendwie, ich kann es nicht ausgleichen (womit auch? Ist doch alles verboten!), und bin sauer auf mich selbst. Ich liebe Räuchertofu.
Tag 4
Fühle mich immer noch nicht leichter. Dafür habe ich schlechte Haut. Man findet das manchmal in Basenfasten-Erfahrungsberichten, dass über die Haut entgiftet wird. Das kann natürlich sein, wahrscheinlich ist es aber nur eine dieser Phasen, die ich sowieso dauernd habe. Das nun aufs Fasten zu schieben, käme mir pathetisch vor.
Mittags gibt's wieder Kartoffelsalat, aber ohne Oliven und Avocado, weil ich die im morgendlichen Stress vergessen habe. Abends bin ich zum Essen verabredet. Der Termin steht schon lange fest, und ich sehe gar nicht ein, abzusagen. Ich finde nichts Basisches auf der Karte, und außerdem steht zur Begrüßung ein Cremant auf dem Tisch. Ich liebe Cremant und trinke ihn, und vielleicht auch noch einen weiteren. Fleisch lasse ich außen vor, esse dafür ein phänomenales Risotto mit Waldpilzen (basisch) und Aprikosen (basisch, na läuft doch). Ansonsten: Nur Wasser und eine dünne Scheibe Baguette (oh, gar nicht basisch). Finde aber, ich habe mich gut geschlagen und lasse mich nicht aus der Ruhe bringen.
Tag 5
Morgens: Hirseflocken, Mandelmilch, Trauben, Mango, Rosinen.
Mittags: Kartoffelsalat. Eigentlich liebe ich Kartoffelsalat, aber so langsam ist auch mal gut. Im Büro wird ein Ausstand gefeiert, und ich kann Sekt und Häppchen erfolgreich ignorieren.
Übrigens: Mit stillem Wasser kann man zwar anstoßen, ist aber scheiße. Dennoch halte ich durch und kaufe nach der Arbeit auf dem Markt rauschartig einmal den kompletten Gemüsestand leer. Abends Kürbis-Kokossuppe mit Süßkartoffel. Um 22 Uhr todmüde und ins Bett.
Tag 6
Samstag – bald ist es geschafft: Die Säuren, köstliche Säuren, winken schon am Horizont!
Wieder Hirseflocken, Mandelmilch, Mango und Birne. Abwechslung ist die halbe Miete. Mittags gibt es einen riesigen Salat mit Avocado, Quinoa und Tomaten, danach gehe ich drei Stunden zum Haaremachen. Meine Frisörin bietet mir ungefragt einen basischen Kräutertee an – ohne Witz. Ich freue mich, nehme den Tee und lasse das Macaron links liegen. Abends wie gestern.
Der Mann isst währenddessen Baguettes mit Salami und Käse, Wasabierdnüsse und ich hasse mich ein bisschen.
Tag 7
Der Brei ist jetzt Gewohnheit. Hirseflocken, Mandelmilch, Birne, Apfel, Pflaumen und gepoppter Amaranth stehen auf dem Frühstückstisch, ich gönne mir ein wenig Lebkuchengewürz.
Meine Lunch-Vision eines riesigen Salats mit gebratenen Pilzen und Avocado entpuppt sich als mittel-lecker. Abends löffele ich eine eine Gemüsesuppe mit Möhren, Kartoffeln, Pilzen, Zwiebeln und Kümmel. Lethargie trifft auf Indifferenz, und ich fühle mich einfach nicht besonders gut – bin aber innerlich total glücklich, ab sofort wieder normal essen zu können.
Basisches Frühstück und Mittagessen |
Tja, und das war sie schon, meine Basenwoche. Was ich noch ergänzen möchte:
Ich hatte ab Tag 2 bis einschließlich Tag 4 mit leichten, seltsamen Kopfschmerzen zu kämpfen, die leicht an Dehydration erinnerten. Das kann aber eigentlich nicht sein, denn ich habe sicher mindestens drei bis vier Liter täglich getrunken.
An Sport war leider die ganze Woche nicht zu denken – dafür hatte ich einfach keine Kraft. So oder so soll man sich viel Ruhe und Entspannung gönnen. Bis auf eine halbstündige Fahrradtour und ein bisschen Yoga habe ich mich auch daran gehalten.
Fazit
Ich fühle mich nach der Woche ganz gut, auf jeden Fall ordentlich „entlüftet“. Sicher ist der Effekt auf Menschen, die viel Koffein, Fleisch und Käse essen und wenig Erfahrung mit veganem Essen haben, drastischer. Aber auch ich habe sicher ein oder zwei Kilo abgenommen und fühle mich wohler. Ob das nun an der „Entsäuerung“ liegt oder einfach nur am konsequent zuckerfreien, gesunden Futter mit niedriger Energiedichte – das lasse ich mal dahingestellt.
Dennoch gibt es zwei Punkte, die ich an Basenfasten problematisch finde: Erstens, dass man viel zu wenig Eiweiß zu sich nimmt. Ich habe an keinem der Tage mehr als 21 g Eiweiß gegessen – dabei sollten es um die 70 g sein. Zudem ist die Kalorienbilanz am Ende des Tages ziemlich gering, wenn man nicht noch zwei Tüten Mandeln zwischendurch knabbert. Es wird teilweise sogar empfohlen, während des Fastens nicht mehr als 900 Kalorien pro Tag zu sich zu nehmen. Das halte ich für sehr gewagt, und ich habe mich immer bemüht, auf mindestens 1200 Kalorien zu kommen. Aus diesen beiden Gründen würde ich die Kur nicht länger als eine Woche machen.
Wie geht's nun weiter?
Ich versuche – ganz im Sinn meiner Ärztin – weiterhin die Zwischenmahlzeiten und Printen zu ignorieren und möglichst immer wenig Kohlenhydrate mit viel Eiweiß zu kombinieren. Das mit dem Eiweiß wird definitiv eine Challenge, da ich viele gute Eiweißquellen eher ablehne. Jetzt freue ich mich wieder sehr auf Quark – und darauf, genug Energie für meinen Sport zu haben!
Inspiriert zu der ganzen Woche hat mich übrigens Samira, die ihren Basenfasten-Bericht ebenfalls schon verbloggt hat.
milchmaedchen meint
Ach, Du schreibst immer so herrlich offen und bodenständig: Keine "Ich-fühl-mich-wie-neugeboren"-Verklärung, keine "Alles-war-nur-prima"-Euphorie! Weil ich dieses Nasch-Bedürfnis zwischen den Hauptmahlzeiten sehr gut kenne, versuche ich mich immer mal wieder zumindest tageweise zu disziplinieren. Das aber auch ohne überbordenden Dogmatismus: Wenn der Körper "Hunger!" schreit, wird er wohl wissen, wieso...
Julia meint
Hut ab für Dein Durchhaltevermögen, ich würde ja auch mal gerne eine Woche fasten, aber ab dem Moment, an dem es auf die Laune schlägt, würde ich das meiner Umgebung nicht mehr antun...vermutlich... und schon hab ich eine Ausrede um das Fasten herumzukommen, yay!
Maja meint
Das war sehr aufschlussreich und unterhaltsam. Danke für deine Ehrlichkeit und toll, wie du das mit Humor genommen hast!
Aileen meint
Ein toller und zum Nachmachen anregender Bericht! Mir geht es ganz genau wie Dir - Kuhmilch meiden, aber bei Joghurt (und Käse) wird's schwierig.. und zack sind da noch diese Mini-Snacks über den Tag verteilt. Wenn's stressig wird, steigt zudem noch mein Kaffeekonsum. Ich sollte so eine Woche auch mal ausprobieren, da ich mich trotz Sport momentan einfach nicht wirklich fit fühle. Aktuell versuche ich, Kohlenhydrate zu reduzieren - den von dir beschriebenen Frühstücksbrei werde ich direkt mal testen. 🙂 Danke dafür!
Liebe Grüße
Aileen
grain de sel meint
Wie inspirierend! Gut, dir fresse ich wirklich (fast) alles aus der Hand ;-)!
Aber vielleicht wäre das mal eine Alternative zum Heilfasten... weil, da nage ich in meinen Phantasien NUR dem Essen hinterher... und reinigend hört sich das allemal an!
Christina meint
Danke dir! Ja, ich finde man liest genug Blabla über solche Detox-Geschichten, da kann man ruhig mal ehrlich sein.
Christina meint
Ich bin gerade aktuell sehr launisch. Da spielen ja auch immer Hormone eine Rolle – es gibt auch Leute, die sind so gut drauf wie nie während der Fastenzeit. Vielleicht wärst du ja so ein Fall?
Christina meint
Merci <3
Christina meint
Viel Spaß damit. Mir fällt es wirklich schwer, weniger Kohlenhydrate zu essen. Ich war lange der Meinung, mit dem Essen von Eiweißbrot (das nicht wirklich schmeckt) und Harzer Roller (dito) wär's quasi getan, aber das ist leider nicht so. Und dann sind ja auch nicht Kohlenhydrate gleich Kohlenhydrate. So ein schwieriges Thema. Schau doch mal bei http://www.urgeschmack.de vorbei, da lese ich aktuell ganz viel. Sehr informativ und gar nicht dogmatisch.
LG
Christina
Christina meint
Na, bei den Früchten, die dein Garten trägt, wäre das doch die ideale Kur für dich!
Danke für deine Worte 🙂
LG,
Christina
Hobbyköchin meint
Hallo Christina, wirklich schöne Idee, habe ich selber auch schon gemacht. Mein Arzt sagte, zu viel kann nicht schaden, das würde der Körper eh wieder ausscheiden. Nur sag mal, ist das nicht zu viel Fruchtzucker in Form von Früchten ?
Christina meint
Hey du,
"zu viel" ist ja immer ein weites Feld. Ich finde Fruchtzucker per se nicht so schlimm, v. a. habe ich ja fast nur morgens Obst gegessen und den Rest des Tages nicht mehr. Man sollte vielleicht nicht morgens, mittags, abends eine große Schüssel Obstsalat essen, aber selbst da sollte das würde ich für eine Woche nicht so eng sehen. 🙂
LG, Christina
Teddy meint
Wird der Blutzuckerspiegel am Blutbild abgelesen bzw welcher Wert steht dafür?
Wie sieht es bei dir mit Proteinpulver aus? Da gibt ja auch veganen aus Reis bzw Hanfprotein. Und Skyr oder so (auch vom Lidl) mit erhöhtem Protein.
Ich mag zum Glück Harzer echt gerne, das erleichtert ?
Alles Liebe,
Melli
Zdenka meint
Ich glaube beim Basenfasten geht es um das Entlasten des Körpers bzw. der Organe . Wenn wir in der Zeit kein
Eiweiß tu uns nehmen ist das nicht schlimm weil der Körper auf Reinigung
programmiert ist. Basenbäder, Tees und Mineralstoffe unterstützen alles noch.