Es gibt da etwas, das mir schon länger auf der Seele brennt. Und zwar unser aller Verhältnis zu Lebensmitteln. Ich denke, ich bin nicht die einzige die bemerkt, wie sich zur Zeit – allgemein, aber im Besonderen auf Food- und Beautyblogs – der nicht neue Trend nach Ego-Optimierung auf Nahrungsmittel konzentriert.
Dabei kann man nicht sagen, dass das eine komplett neue Erscheinung ist, aber in unserer schnelllebigen Kommunikationskultur verbreiten sich Mythen, Legenden oder einfach gesagt: Pseudo-Erkenntnisse vielfach schneller als noch vor fünf oder gar zehn Jahren.
Ich beschäftige mich nicht erst mit Ernährung, seit ich diesen Blog führe, sondern seit ich noch vorpubertär zum ersten Mal seitens meines Kinderarztes auf Diät gesetzt wurde. Das geschah nicht freiwillig, war aus heutiger Sichtweise völlig unnötig, aber trug wohl mit die Verantwortung dafür, dass ich immer schon kritisch zusah und -hörte, wenn es um das gesundheitliche (sprich: gewichtsreduzierende) Versprechen ging.
Letztlich kann man es grob so zusammenfassen: In den 90ern war die auf „kalorienreduzierte Mischkost“ mit Standard von 1000 Kalorien (#wtf) die ultimative Methode, um binnen Kürze die Bikinifigur zu erreichen. Zeitgleich machte Harry Wijnford Werbung für Slimfast und für einen bis heute populären widerlichen Fastentrunk namens Almased wurden erste Annoncen geschaltet.
Auf LowFat folgt LowCarb
Anfang der 2000er setzte ein bedächtiges Umdenken ein, die Kalorienmenge wurde angehoben, stattdessen reduzierte man an anderer Stelle – der Trend da lautete: LowFat. Fett- und geschmacksreduzierte Produkte wie Käse, Joghurt und Wurst schossen wie fade Pilze aus dem Boden, denn Fett macht fett, das ist ja irgendwo logisch und ließ sich eine Zeitlang auch gut vermarkten.
Aber: Nothing lasts forever. Heutzutage reduziert man die Kohlenhydrate und behashtaggt alle Instagramfotos mit #lowcarb und #nocarb.
Es werden Lebensmittel vom Speiseplan gestrichen, die bis dato in Ordnung und aufgrund des nicht vorhandenen Fettgehalts sogar erwünscht waren. Kartoffeln – weg. Pasta – weg. Reis – weg. Knuspriges Baguette – weg. Obst – weg. Im nächsten Schritt fallen Lactose und Gluten der Food-Zensur zum Opfer, weil das ja auch nicht gesund ist. Ohne Witz, leider fällt mir die Quelle nicht mehr ein, aber ein nicht geringer Prozentsatz dieser Lebensmittel wird gekauft, weil man sie für gesünder hält als „normale“ Milch oder „normales“ Brot. Wahnsinn.
Food Zensur und Spaß am Essen
Versteht mich nicht falsch: Unverträglichkeiten und Allergien können alptraumhaft sein, und es ist wunderbar, dass die Medizin heute so viele Möglichkeiten hat, diese zu diagnostizieren und zu behandeln. Aber mir geht es nicht um Krankheiten, mir geht es um Spaß am Essen und um den Genuss vielfältiger Lebensmittel.
Gesunde Ernährung und Sport können und sollen Spaß machen. Aber wenn es dann zur Massen-Inszenierung und zum kurzzeitigen Trend einer ganzen Generation wird, finde ich es anstrengend, doof und langweilig. Ich mag meine Kartoffeln!
Nach diesen ernsten Worten (die eventuell etwas unkoordiniert daher kommen, man möge mir verzeihen) mag ich euch noch diesen fabelhaften Erdbeer Panzanella – also einen Brotsalat – mit Fenchel und Gurke vorstellen. Inspiriert von einem Rezept in meinem aktuellen Lieblingsbuch Fruit every day!*, das ich hier rezensiert habe. Mit einer kleinen Abwandlung, denn: Wer braucht schon Kapern?
Aber Achtung: Mein Erdbeer Panzanella enthält Kohlenhydrate (Brot), Fructose (Erdbeeren) und zudem 'ne Menge Geschmack und gute Laune. Gerne sollt ihr auch eure Gedanken mit mir teilen. Wisst ihr, wovon ich rede? Findet ihr, dass ich überreagiere? Wie sind eure Erfahrungen?
Erdbeer Panzanella mit Fenchel und Gurke
Rezept für 1 großzügige Portion
Zutaten
1 Scheibe altbackenes Brot (ca. 50 g)
250 g Erdbeeren, geputzt
1 EL Olivenöl
1 EL guter, dickflüssiger Balsamico
¼ Schlangengurke, geviertelt und gewürfelt
1 kleine rote Zwiebel, in dünne Scheiben geschnitten
½ Fenchel, geputzt und in dünne Scheiben geschnitten
1 paar Blättchen Basilikum oder Oregano
Meersalz
frisch gemahlener Pfeffer
Zubereitung
Das Brot in Würfel schneiden und im auf 200° C vorgeheizten Ofen ca. 5-10 Minuten leicht toasten. Beiseite stellen und auskühlen lassen.
Die Hälfte der Erdbeeren mit den Händen zerdrücken und mittels Holzkochlöffel durch ein feines Sieb streichen. Das dauert ein bisschen, belohnt euch aber mit der extragenialen Basis für das Dressing: Erdbeerpüree! Olivenöl und Balsamico zufügen, mit Salz und Pfeffer abschmecken und Beiseite stellen.
Den Rest der Erdbeeren würfeln und mit Gurke, Zwiebel und Fenchel vermischen. Das Dressing darüber löffeln, Brot zufügen und gut unterheben. Ein paar Minuten zur Seite stellen, damit sich alles richtig gut vollsaugt. Erdbeer Panzanella anschließend mit Basilikum oder Oregano bestreuen, erneut abschmecken und servieren.
Quelle
Fruit every day!*
*Amazon-Affiliate-Link
Anonym meint
Oh ja! Ich lösche prinzipiell alle Blogs aus meiner Leseliste, die mit trendiger, irrationaler Selbstkasteiung ankommen. Bin froh, dass ich deinen nicht löschen muss, den mag ich nämlich 🙂
Kohlenhydrate sind nun mal ziemlich lecker (besonders die Röstnoten, mmh) und darauf zu verzichten macht für mich keinen Sinn. Das Gehirn kann doch ohne Glucose überhaupt nicht arbeiten...
Für mich bitte ausgewogene Ernährung (minus Fleisch, das aber nicht aus Gesundheitsgründen) 😉
chaosmichi meint
Jawoll ! Das unterschreibe ich voll und ganz!
Ich bin zwar für alles offen und finde auch die Ansätze hin und wieder toll, dementsprechend habe ich auch nichts gegen Low Carb, aber das Ausschließliche stört mich. Essen ist für mich GENUSS/LEBENSFREUDE und etwas für die Seele.
Sich bewußt zu machen, dass Abends die Kohlenhydrate weglassen mag hin und wieder Okay sein, aber bitte nur für die Ausgewogenheit und nicht als Ziel für den Rest meines Lebens.
Ich lege oft Samstags einen sogenannten Fastentag ein, warum Samstags 😉 da bin ich viel Unterwegs, Einkaufen, Besorgungen machen etc..... dann gibt es Obst und Joghurt sowie Salat, einfach nur um meinen Körper zur Ruhe kommen zu lassen. Sonntags gibt es dann wieder lecker Braten 😀 immer den Sonntagskuchen und das Frühstück ist immer besonders reichhaltig.
Ich lese zwar gerne Blogs und nehme die Anregungen auf, aber selber einen zu Schreiben ist nicht mein Ding. Nachdem jedoch immer mehr Blogs, den von dir genannten Trend folgen, bin ich echt versucht gewesen einen "Genieße das Leben, genieße das Essen mit all seinen Farcetten-Blog" zu erstellen.
Zum Glück kam dein Post 😀
Jetzt kann ich wieder faul zurücklehnen 😀 denn Schreiben ist echt nicht mein Ding ;-)))
Küchenmamsell meint
Komisch, dass Du das jetzt ansprichst, gerade gestern hatte ich ein Gespräch mit Kollegen über ständige körperliche Selbstoptimierung, das reicht von tatsächlichen Abnehmversuchen bis zu generellen Ernährungsdogmen wie bspw. "Ich esse keine Kohlenhydrate".
Ich finde das ebenfalls sehr problematisch, v.a. wegen des Drucks, den man sich selbst aufbaut und der tw. wohl auch von außen kommt, sodass Leute denken, sie müssten irgendeine dieser seltsamen Sachen betreiben, weil es von ihnen "verlangt" wird.
Aber (und jetzt kommt das dicke aber!): ich bin in der glücklichen Lage, auf 1,80 m Idealgewicht verteilt zu haben, eine 38 zu tragen und nicht auf Kalorien achten zu müssen. Wenn dem nicht so wäre, würde ich mich vermutlich auch in so einer Wechselwirkungssituation aus gesellschaftlichem und damit selbst auferlegtem Zwang befinden. Und da wären wir dann eher wieder bei der Diskussion um Körperwahrnehmung.
Das Fass mache ich jetzt aber nicht auf 😉
grain de sel meint
Post-bisous, liebe Christina!
Wo muss ich unterschreiben ;)?
Nadja meint
Ja, das Low-Carb-Zeug ist wahrlich etwas merkwürdig, ich stimme aber der Küchenmamsell zu - ich bin groß und schlank, deshalb kann ich mit scheelen Augen auf all die blicken, die sich kasteien. Aber die, die sich nicht so schön finden, und den Druck der Abnehmindustrie spüren, können das oft nicht. Das darf man nicht vergessen - aber Lowcarb und laktosefrei ohne Laktoseintoleranz trotzdem blöd finden. Mein persönlicher Favorit ist ja glutenfrei, wenn man keine Zölliakie hat , das regt mich immer mordsmäßig auf!
Vegan find ich hingegen gar nicht so verkehrt (ich bin ja laktoseintolerant und vegan backen erleichtert mir wirklich viel!)
Liebe Grüße
Nadja
Christina meint
"irrationale Selbstkasteiung" - sehr schön 😉
Christina meint
Geht mir ja genau so. Es ist nur das Ausschließliche. Aber ich habe mittlerweile so viele Pizzen mit Teig aus Blumenkohl oder Thunfisch gesehen, dass ich fand, man könnte mal was sagen.
Christina meint
Ach, du fasst das nochmal so schön zusammen. 🙂 Ich kenn halt auch die andere Seite, ich hatte nicht immer Idealgewicht und muss mich auch jetzt darum bemühen, es zu halten. Aber dieses ständige Sich-den-Spiegel-vorhalten hat für mich zur Zeit schon Hollywood-Ausmaße...
steffi meint
Liebe Christina,
ein schwieriges Thema, finde ich! Ich gebe dir Recht, dass viele Menschen (leider auch viele Blogger) wahllos jedem Foodtrend hinterher laufen ohne zu wissen, warum eigentlich. Laktosefreie Milch ist natürlich nicht gesünder als normale (ob Milch überhaupt gesund ist, ist eine gänzlich andere Frage) und fettarme Ernährung die aus Plastik-Light-Produkten besteht auch nicht empfehlenswert. Da aber in den Kommentaren auch Gluten aufgegriffen wurde, möchte ich dazu kurz etwas aus der Sicht der Ärztin sagen: die aktuelle wissenschaftliche Lage besagt, dass Gluten durchaus auch für nicht Zöliakie-kranke Menschen schädlich ist. Gluten ist beteiligt an der Entstehung von neurologischen Erkankungen (wie Demenz oder Migräne) und auch Autoimmunerkrankungen (wie Hashimoto). Insofern macht glutenfreies Essen durchaus Sinn, auch wenn auf diesem Gebiet noch viel Forschungsbedarf besteht und nicht jeder Hausarzt immer auf dem allerneuesten Stand sein kann. Ganz so einfach ist es also leider nicht und manchmal finde ich es auch ziemlich schwierig, dass Halbwissen (wie z.B. eben "glutenfrei, wenn man keine Zölliakie hat , das regt mich immer mordsmäßig auf") in die Welt posaunt wird. Ich weiß, für die Kommentare kannst du nix, aber ich musste das jetzt auch mal loswerden 😉
Viele Grüße
Steffi
Lissi meint
Bin ganz Deiner Meinung und dass obwohl ich sogar zu den Menschen gehöre, die beim Kochen auch noch sehr auf ihre Gesundheit und auch ein wenig auf das Gewicht achten, aber das sehr konservativ 😀
Es gibt alles, jedes in seinem Maße und ganz sicher werde ich mich nicht von Kartoffeln und Nudeln, von Öl und Butter oder allem anderen "guten Zeug" trennen!
Ela meint
Liebe Christina, den low carb hype finde ich ebenfalls befremdlich - hatte darüber letztens auch mal ein paar Worte auf dem Blog getippt 🙂 Manchmal hab ich einfach keine Lust auf viele Kohlenhydrate, manchmal total. Ich glaub mein Körper weiss schon, was er braucht. Jetzt gerade bräuchte er verdammt dringend deinen Salat 😉
LG
Ela
Ein Dekoherzal in den Bergen meint
haaaalölee HOB grod dein BLOG entdeckt,
SOOO guate SACHEN machst du do
hob die GLEI gschpeichert,,
hob no an feina ABEND,,
los da no an liaben GRUAß DO aus TIROL
de BIRGIT
Anonym meint
Hab deinen Blog gerade entdeckt und muss gleich mal meinen Senf dazu geben ;). Am allermerkwürdigsten finde ich persönlich ja immer, wenn Menschen davon reden, dass sie keine Kohlenhydrate zu sich nehmen. Keine Kohlenhydrate? Also auch kein Obst, kein Gemüse etc? Sie müssten quasi nur Eiweiß und Fett essen. Das ist unmöglich und davon kann auf Dauer auch keiner satt werden...
Nur ist der Druck auf viele Menschen auch sehr sehr groß. Wenn eine dickere Frau mit einem dicken Käsebrötchen durch die Gegend läuft, denken doch die meisten, dass sie lieber einen Salat essen sollte. Irgendwann wird ihr das mal gesagt und sie quält sich mit wenig Essen, wenig Kohlenhydraten, wenig Nährstoffen durch die Tage und schadet ihrem Körper damit viel mehr als mit dem dicken Käsebrötchen.
Ich bin auf meinem Blog gerade dabei mich fit für den Sommer zu machen, weil ich auch zu den Menschen gehöre, die unzufrieden mit ihrer Figur sind. Doch mir ist dabei sehr wichtig, dass ich mich gesund ernähre und auch auf meinen Körper höre. Wenn ich das Gefühl habe Kohlenhydrate zu brauchen, dann esse ich welche. Oder eben auch nicht.
Jedoch fällt mir das persönlich immer noch schwer und ich glaube, dass das nicht nur für mich kompliziert und verwirrend ist. Man hört so viele kontroverse Dinge, so viele Regeln und Sprüche von Gesundheitsgurus, dass man überhaupt nicht mehr durchblickt und auch nicht weiß, was wirklich stimmt.
Nach einer langen Suche im Internet bin ich auf das Konzept des Clean Eatings gestoßen. Das klang für mich von Anfang an plausibel und ich versuche, mein Leben und auch meine Ernährung nun so naturbelassen wie möglich zu gestalten. Und wenn ich einmal Hunger auf Schoki habe, dann gibt es eben Schoki 😉
Ich kenne aber auch viele Mädchen (besonders in meinem Alter), die sich immer noch quälen, kein Abendbrot essen, sich nur von Energydrinks und Äpfeln ernähren und und und. Ich hoffe, dass dieser ganze Magerwahn endlich mal ein Ende hat und alle wieder ihr Essen und ihr Leben genießen können.
LG Luisa 🙂
Anonym meint
Danke, Du sprichst mir aus der Seele! Manchmal hege ich den Verdacht, dass diese Low-Carb-Nummer von der Fleischindustrie ersonnen wurde, weil alle möglichen Arten von Fleisch dort ja zu den propagierten "guten" Lebensmitteln gehören, während die guten alten und vor allem auch preiswerten Sattmacher plötzlich "böse" sind... Ein Hoch also auf Kartoffel, Nudel und Co, die ich mir selbst auch viel zu lange verkniffen hab!