Unser Haupturlaub führte uns dieses Jahr an einen ganz besonderen Ort – auf die Kii-Halbinsel im Südosten Japans, genauer gesagt auf den Kumano Kodo.
Der Kumano Kodo ist ein über 1000 Jahre alter Pilgerweg, der seit 2004 als UNESCO-Weltkulturerbe registriert ist. Die Halbinsel ist fast vollständig gebirgig und dementsprechend infrastrukturell schwer zu erschließen gewesen. Sie gilt als sprituelles Zentrum Japans. Pilger besuchen über den Kumano Kodo dort die drei großen Schreine von Kumano („Kumano Sanzan“): Kumano Nachi Taisha, Kumano Hongu Taisha und Kumano Hayatama Taisha. Der Kumano Kodo ist allerdings nicht eine einzelne Strecke, die von einem Start- zum Zielpunkt führt, sondern eher als Netzwerk zu sehen, auf denen einige Routen häufiger, andere seltener gegangen werden. Wichtig: Man sollte körperlich fit und bei Kräften sein, der Weg ist zwischendurch ziemlich fordernd, dafür abwechslungsreich. Und immer viel trinken.
Weil man sich selbst im Alltag kaum begegnet, muss man ausbrechen, was Neues wagen. Nachdem wir in den letzten Jahren immer mal wieder Urlaub fernab von Krawall und Remidemmi gemacht haben, bin ich sicher, dass Natur, Stille – ja, Einöde – dabei helfen, sich mal selbst zu treffen und mal genau hinzuhören. Dazu muss ich aber auch sagen, dass ich generell kein Mensch bin, der sich gerne an überfüllten Orten aufhält. Es geht dabei nicht um Erscheinungen, Erleuchtungen oder sowas. Es geht darum, Stunde um Stunde einen Fuß vor den anderen zu setzen, weil es nichts anderes gibt, das man tun könnte – und mal mit sich und seinen Gedanken völlig allein zu sein. Damit unterscheidet sich wandern enorm von Strand- oder Cityurlauben, wo es ja immer 'ne Menge Zeugs zu tun und zu entdecken gibt.
Auf den Kumano Kodo haben wir uns begeben, um uns mal vollständig abzukapseln. Vor allem für mich gilt, dass ich schwer abschalten kann. Ich mache immer irgendwas, ach, eigentlich vieles parallel, physisch und/oder psychisch. Ich bin einfach total wuselig. Aktuell kann ich nicht einmal konzentriert ein Buch lesen. Ich schaffe es einfach nicht. Ich bin vermutlich ein Vorzeigeopfer der allzeit-online-digitalisierten Zeit. Nun, deswegen dachte ich vor Beginn der Reise, beim Wandern einen ganz klaren Kopf zu bekommen, brilliante Gedanken und Ideen, irgendwie sowas. Stattdessen: Habe ich geschimpft. Zu Beginn ganz viel. Ich habe geschimpft, mit dem Weg (schwierig), mit meiner Ausrüstung (falsch), mit der ganzen Idee (dumm). Als ich das Oberflächliche weggeschimpft hatte, fing ich mit mir selbst an.
Ich bin alles durchgegangen: Kindheit, Jugend, Studium, Arbeit, hier und dort, was war gut, was war schlecht? Habe ich Fehler gemacht? Mögliche Chancen nicht ergriffen? Was bin ich überhaupt für ein Mensch, als Partnerin, als Freundin, als Mitarbeiterin und Kollegin? Welche Erwartungen habe ich an Leben und Beziehungen? Was ist mir wichtig, worauf kann ich pfeifen? (Die Antwort auf letzteres: Auf ziemlich viel, immer noch, ein gutes Gefühl.)
Und als das alles abgearbeitet war, nach gut zwei Tagen, konnte ich endlich einfach nur gehen. Durch diese unglaubliche Landschaft, die das schönste war, das ich bisher mit meinen eigenen Augen gesehen habe. Alles war so unendlich weit weg: Menschen, Städte, Politik, Probleme. Nur mit dem nötigsten im Rucksack die Strecke bewältigen, Meter um Meter, Tag um Tag, das klärt.Als wir nach gut einer Woche Semi-Isolation zurück nach Osaka fuhren, in dessen Ballungsraum 14 Millionen Menschen leben, war ich ziemlich überfordert. Ich, ha. Man entdeckt sich neu.
Und nun? Wir sind noch dran, uns zu sortieren. Bis dahin lasse ich euch einige Bilder da. Vor allem vom Essen. Hatte ich noch gar nicht erwähnt, wie hervorragend wir auf dem Kumano Kodo bewirtet wurden? Ach, ein Traum.
Krisi meint
Wow das klingt nach einer tollen Erfahrung. Ich habe noch nie von den heissen Quellen gehört in denen die Bewohner ihr essen kochen, das würde ich dann auch unbedingt machen wollen=)
liebe Grüsse,
Krisi
milchmaedchen meint
Ach! Hach! Ich glaube, ich hätte dieses bittersüße physisch-psychische Reisen nicht halb so gut auf den Punkt bringen können! Hab' Dank – vor allem auch für die so passenden Fotos!
Julia meint
Das klingt nach einem ganz wunderbaren Urlaub, vielen Dank fürs mitnehmen!
Elisabeth meint
Liebe Christina,
Du hast es mit deinem Bericht gerade geschafft, dass ich unbedingt auch in Japan wandern will, einem Land, das mich bisher so gut wie gar nicht interessiert hat! <3 Danke für die schönen Eindrücke! So einen Wanderurlaub in Abgeschiedenheit möchte ich schon länger machen. Wie ist das denn in Japan auf dem Land? Kommt man da mit Englisch, Händen und Füßen durch?
Liebe Grüße,
Elisabeth
Christina meint
Liebe Elisabeth, das freut mich!
Ich bin ganz ehrlich, ich finde Japan ist für Menschen komplett ohne Japanischkenntnisse nicht super einfach. Allerdings kann ich es nicht komplett aus der Perspektive bewerten, weil ich nun einmal ein bisschen japanisch kann. Wir haben auch Leute getroffen, die nur Englisch sprechen konnten und die sind auch durchgekommen 😉 Insofern sollte es kein Problem sein. Die Japaner sind alle sehr freundlich und bemüht! In den Unterkünften dort können alle ausreichend Englisch.
Halte mich auf dem Laufenden!
Liebe Grüße,
Christina
Gary W. Deason meint
Der Kommentar wurde von einem Blog-Administrator entfernt.
Kathi meint
Das klingt schon seehr faszinierend (ich klick mich hier grad wild durch den Blog, man merkts 😉 )- ich fand auch die Bilder auf Instagram schon toll.
Das Wandern und was es mit dem Kopf macht, beschreibst du toll - mir geht es da ähnlich. Auch wenn ich kein Freund von großen Menschenansammlungen bin, bin ich grundsätzlich eher wuselig, und sei es nur im Kopf. Immer am Planen, immer am Machen - und dann dazu der Gegensatz des einen Fuß vor den anderen setzen. Und noch einen, und vielleicht ein bisschen fluchen. Weitermachen, bei sich ankommen, irgendwann nur noch laufen und atmen. Und das ganze in Japan - wirkt noch magischer. Leider gibts da eine Sprachbarriere, auch wenn mich das Land immer mehr fasziniert. Muss ich den Mann mal wieder bequatschen, seine Japanisch-Lernerei wieder aufzunehmen ;).
Christina meint
Liebe Kathi,
vielen lieben Dank! 🙂 Ich weiß, mit Japan ist die Sprachbarriere immer so eine Sache. Aber zumindest für unseren Trip kann ich sagen, dass wir immer auch Leute getroffen haben, die gaaar kein japanisch konnten, die sind da schon auf Ausländer eingestellt, da muss man keine Sorge haben. Aber vorerst kommt so ein Trip für euch sicher eh nicht in Frage 😉